05 April 2006

Tanzschule II

Ja, die Gerüchte sind wahr.
Ich habe mich nach ungefähr 11 Millionen Stunden massiver Nörgelei seitens Danielas dazu durchgerungen, ein Tanzstudio rausgesucht und uns für einen Hochzeitstanzkurs angemeldet.
Dreimal 60 Minuten, jeweils dienstags um 19:00 Uhr in einem kleinen Lokal mit einem überraschend großen Ballsaal ein Dorf weiter, für 45 Euronen pro Paar.
Das fand ich doch glatt erträglich.
Schließlich hing ja auch das Damoklesschwert des Dani-sucht-was-raus über mir!

Also fuhren wir am vorletzten Dienstag Abend hin und schafften es dabei grade noch so eben halbwegs pünktlich zu sein, schließlich hatte ich mir die allergrößte Mühe gegeben, meinen Zahnarztbesuch tagsüber als Ausrede zu benutzen, um die ganze Geschichte so weit wie möglich zu verzögern.
Dani hatte mich aber recht schnell durchschaut...
(Notiz an mich selbst: Wenn man schwere Zahnschmerzen vortäuscht nicht gleichzeitig eine Tüte Gummibärchen verputzen!)

Bereits auf dem Hinweg plagten mich Sorgen.
Was, wenn der Tanzlehrer mich zum Übungspartnerwechsel zwingt?
Abgesehen davon, dass ich keine Lust auf vertikalen Sex mit einer anderen Dame verspürte; ich muss doch nur mit Dani auf der Hochzeit lange tanzen. Wozu also tauschen?
Ok, dachte ich mir, selbst wenn, was soll's, du hast ja auch nicht den Fahrschulwagen behalten müssen, wird schon werden, außerdem, vielleicht hat die andere große weiche ... Hände *ähem*, dann guckste wenigstens nicht auf deine Füße.
Ja, Leute so geht das...
"Selbst im tiefsten Keller der Selbst-Agonie scheint ein kleines Licht für den welcher suchet!"

Wir kommen also vor Ort an, treten ein in den Saal und sind überwältigt von der schieren Masse der Teilnehmer.
Das andere Paar nämlich, pünktlich, war bereits in Aufstellung gegangen.

Kennt ihr den Witz über mit alten Frauen schlafen und Gurke in Turnhalle werfen?
Nun, so ähnlich kam ich mir vor.
Ein ordentlicher Ballsaal, sogar mit einer komplett verspiegelten Stirnwand und mittendrin klein Flo, sein inzwischen tanzerwartungsfreudiges Mäuschen an der Hand.
Und der Tanzlehrer, schon vorgewarnt von seiner Frau (mit der ich gesprochen hatte) grinst feist und begrüßt uns mit den Worten "Und da ist das andere Paar, wo ER eigentlich nicht möchte."
Da gefiel mir das alles schon einen Tick besser.

Da muss ich jetzt auch mal direkt eine Frage stellen:
Was genau muss einem jungen heterosexuellen Mann passieren, dass er Tanzlehrer wird?
Der hat doch früher sicher auch mit Lego gespielt, Baumhäuser gebaut oder mit Mädchen Küsschenfangen gespielt, oder?
Gibt es da irgendwo ein Gen, welches sich mit 13 dann durchsetzt, und das bewirkt, dass man Nazikackmistbewegungssport, wie ich Tanzen gerne heimlich nenne, toll findet?
Ehrlich, ist mir total unverständlich...
Freude durch tanzen... tssss.
Hat der keinen Computer zu Hause?

Naja, wie dem auch sei, er ist nett.
Das gebe ich zwar ungern zu, aber er kann das, was er macht.
Schlaksiger Typ, vielleicht 30, körperlich ein bisschen größer als ich, demonstrierte er direkt die ersten Tanzschritte mit Daniela, die wir dann eifrig nachtanzen mussten.
Immerhin, von uns 4 Teilnehmern hat nur Daniela bereits einen Tanzkurs abgeschlossen, 3 glaub ich sogar.
So fiel es den beiden sehr leicht, uns anderen 3 in der ersten Stunde den langsamen Walzer und den ... und da verließen sie mich schon.
Was genau war denn noch mal das zweite, was wir gelernt haben???
"Eins, zwei, tip, eins, zwei, tip..."
Discofox?
(Ob ihr es glaubt oder nicht, ich bin grade vom PC aufgestanden und habe die Schritte kurz gemacht, um sicher zu sein, dass ich nix verwechsle!)

Man, was kann tanzen anstrengend sein!
Nicht mal wegen den ungewohnten Bewegungen, das geht eigentlich.
Nein, mir fällt es einfach schwer, entgegen meinen gewohnten oder antrainierten Bewegungsmustern zu agieren.
Ein Beispiel:
Seit Jahren gehe ich steht’s so, dass ich entweder direkt lossprinten oder hochspringen kann, ursprünglich aus den Zeiten mit unserem Hund Tiger, der immer genau dann im Weg lag, wenn man etwas heißes oder Wertvolles vor sich hertrug.
Ich verlagere also immer mein Gewicht vom einen auf das andere Bein, sobald dies den Boden berührt. Das ist auch gut für den Rücken.
Bei den oben beschriebenen Schritten hingegen, muss man einen Fuß zwar vorsetzen, darf aber kein Gewicht darauf verlagern, da man ihn im nächsten Schritt schon wieder zurückzieht.
Von der zu stoppenden Vorwärtsbewegung mal ganz zu schweigen.
(Ein Schelm, wer hier an Masseträgheit denkt!)
Ich bin anfangs ein paar Mal voll in Daniela geknallt.

Und das ist nur das eine was mich stört.
Der große Spiegel macht mich verrückt!
Nicht, dass ich mich nicht gerne sehen mag, viele Menschen lassen sich operieren, um so auszusehen wie ich.
Aber in dem Saal hängen unter anderem Werbeposter für Sloggy Strings und Tangas, weiß der Geier warum. Egal wo ich hingucke, überall sexy Werbe-Pöter.
Wie soll ich da auf meine Füße achten?

Und dann noch der Tanzlehrer mit seiner Stimme.
An sich normale Tonlage, aber glaubt mir, wenn ihr 60 Minuten lang "eins zwei tip eins zwei tip eins zwei tip eins zwei tip" um die Ohren habt seid ihr irgendwann auch kurz davor, seinen Zahnarzt zu einem reichen Mann zu machen.

Ok, zugegeben.
Es macht auch Spaß.
Ich konnte mir zwischendurch durchaus unser Tanzen auf der Hochzeit vorstellen, so schön mit Blick tief in die Augen und einem glücklichen Lächeln.
Also für mich zumindest.
Dani wird nämlich schlecht, wenn sie mich beim Tanzen ansieht.
Sie sagt zwar, dass das wegen dem Drehen und der Fixierung auf einen kreisenden Punkt kommt, aber irgendwie bin ich misstrauisch.
Ich glaube, sie will auch die Sloggybilder angucken.

Jedenfalls hatten wir gestern unsere 2. Stunde und haben den Wiener Walzer angefangen.
Leck mich fett, ist das schwierig!
Wir haben zwar in der Woche zuhause sehr zur Freude der Mieter unter uns auch abends normalen Walzer und Discofox geübt, aber Wiener Walzer (nenne ich nun WW2 ) ist schon eine Ecke schneller.
Die blauen Flecken an Schatzis Zehen sprechen Bände.

Nein, ich bleibe dabei.
Tanzen böse!

Ich zieh das jetzt zwar durch und auch auf der Hochzeit lasse ich mit mir viel tanzen.
Aber wenn das alles vorbei ist, werde ich Daniela einen stockschwulen Partner suchen und mich persönlich innerlich damit abfinden, dass ich bis zur Hochzeit meiner Tochter mich nicht mehr so bekloppt bewegen muss.

eins zwei tip eins zwei tip...