11 Juni 2006

Samstag: Der Morgen

Ich hatte ja die vergangen Wochen immer wieder "gewusst", dass ich wunderbar schlafen könnte am Samstag, dem Tag meiner kirchlichen Hochzeit, vermutlich so bis 10Uhr.
Schließlich konnte ich bisher immer gut schlafen.
Leider dachte mein Körper da anders.
Punkt 6 war ich wach und auch wirklich schlagartig hellwach.
Noch 7 Stunden, bis ich sie sehen würde.

Also erstmal in Ruhe etwas lesen.
Direkt im ersten Stern fand ich einen interessanten Artikel über die Familien von heute, Unterschiede zu gestern, demographische Daten und Daten über den aktuellen Hochzeitstrend.
Es heiraten wieder mehr Paare in Deutschland.
Da es eine Serie war suchte ich mir die anderen beiden Ausgaben: Teil 2 über Kinder und Teil 3 über das Seniorenalter.
Dort stand, dass Leute vom Geburtsjahr 1980 wahrscheinlich 85 Jahre im Durchschnitt werden, verheiratete sogar 89!

Grinsend ging ich mich um halb 9 rasieren.
Ich hatte Dani nämlich versprochen, extra gründlich zu sein.
Wer mich kennt, weiß warum: Ich habe ein ... Charaktergesicht, und es gibt da zum Beispiel meine Wangenknochen zum Kinn hin, da bleiben schon mal ein paar Barthaare stehen, wenn man sich nicht wie in einem Horrorfilm die Gesichtshaut hochzieht. Da helfen weder Braun noch Philips.
Noch 4 Stunden, bis ich sie sehen würde.

Legere angezogen wie am Abend davor ging ich nun erstmal zu Fuß Brötchen holen.
Es gibt da eine kleine aber feine Bäckerei in Ahaus, Bäckerei Ravers, die machen wirklich sehr gute Käsebrötchen, welche ich für meinen Lebtag gerne esse.
Die wollte ich unbedingt.
Außerdem war mir klar, wenn ich an diesem Tag nicht richtig frühstücken würde, wäre mir wahrscheinlich genau zum Zeitpunkt der Trauung schlecht vor Hunger und das war so ziemlich das letzte, was ich wollte.
Man sagt ja nicht ohne Grund: Ohne Mampf kein Kampf.
Zudem waren da ja auch meine beiden Brüder und Lexis Freundin, die ebenfalls was futtern wollten. Also besser 10 Brötchen und extra Wurst einpacken lassen.
Schon auf dem Rückweg mampfte ich ein Käsebrötchen, frisch aus dem Ofen. Herrlich.
Wieder angekommen schmierte ich mir 3 weitere, setzte mich ins Wohnzimmer, machte mir Musik an (Gruppe "Tape", Album "one") und genoss die Ruhe.
Inzwischen wurden auch die anderen 3 wach und besetzten die Badezimmer.
Noch 3 Stunden, bis ich sie sehen würde.

Um 11 tauchte Theo auf, wir mussten ja noch die Blumen von Blumen Nienhaus abholen.
Eigentlich hatten wir nur 2x Autoschmuck bestellt, aber da Richard mich fahren sollte, nahmen wir ihn mit und ließen seinem Wagen ebenfalls ein paar weiße Bänder verpassen.
Sah sehr gut aus.
Beladen mit
1 Brautstrauß
1 Wurfstrauß
1 Streukörbchen
1 verblümte Taufkerze
2 Brautjungfersträußen
1 Bäutigamansteckblümchen
1 Autoschmuck Brautauto
1 Autoschmuck Bräutigamauto
ging es dann zurück zu uns, wobei Theo sich dann nach kurzem Überlegen doch schon wieder zu den Damen ins Hotel aufmachte.
Ursprünglich wollte er mich ja mitanziehen, wir hatten uns beim Schneider alles genau zeigen lassen, was ich wo wie zuknöpfen oder clipsen müsste, aber letztendlich konnte ich es doch alleine.
So hatte er mehr Zeit für die Damen und seine Aufmachung.

Zurück bei uns also ging ich erstmal aufs WC, meine Verdauung war mächtig angeregt, vermutlich von den vielen Brötchen und nicht von der Nervosität, die sich allmählich einstellte, einem ganz fiesem ziehen im Bauch.
Noch 1,5 Stunden bis ich sie sehen würde.

Während ich also thronte kamen inzwischen auch Holger, Jens, Henning und Mirjam (Jens Gefährtin).
Für meine beiden Trauzeugen hatten wir noch 2 Tage vorher schnell zwei gleiche Krawatten besorgt, richtig schönes gelb.
Zu dumm, dass beide keine Krawatten binden konnten, so konnte Henning, der sich bereit erklärt hatte, den Tag auf Video zu verewigen, schon mal mit dem Filmen anfangen.
Es gibt also ein Videoband von ca 30 Minuten Länge, wie sich Holger und Jens versuchen gegenseitig die Krawatte mit einem Windsorknoten zu binden. Versuchen wie gesagt, der geübte Blick stellt auf den Bildern (http://www.boerstings.de) schnell fest, dass das keine Windsorknoten sind...
Unterdessen ging ich duschen, kleidete ich mich an, rasierte mich ein 2. Mal und zog die Schuhe an.
Herrje, da drückten die Schuhe doch plötzlich?! Ich hatte sie doch 8 Minuten eingelaufen. Sollte Dani Recht gehabt haben und das nicht genug gewesen sein?
Also dickere Socken an. Wird ja schon keiner dran riechen wollen.
Viel besser.

Um zwanzig nach 12 waren wir alle soweit fertig und ich trieb die Bande zu den Autos.
Ich musste mir nämlich in letzter zeit öfter anhören, dass ich vermutlich sogar zu meiner Hochzeit zu spät kommen würde, bloß weil ich morgens gerne mal etwas langsamer zur Arbeit fuhr.
Ich wollte absolut pünktlich sein und in 40 Minuten hätte ich die Strecke zum Schloss, also dort wo das Fotoshooting sein sollte, auch einbeinig hüpfen können.
Sicher ist sicher.

Auf der Fahrt zum Schloss mussten wir durch die Innenstadt, vorbei an dem gerade erblühenden Stadtfest, genauer: an den Parkplätzen auf denen gerade Kindertrödel war.
Ich versuchte Richard zu kräftigem Hupen zu überreden, als er es endlich tat, wir bogen gerade aus einem Kreisverkehr, fuhren wir laut die Fanfare erschallend an einer auflauernden Polizeistreife vorbei.
Ich weiß nicht, wer verblüffter war, jedenfalls guckten die ziemlich dumm, ließen uns aber vorbei fahren. Das hätte noch gefehlt.

Nach 10 Minuten, also noch 30 Minuten, bis ich sie sehen würde, kamen wir am Schloss an, konnten sogar bis vors Tor fahren.
Das war aber verschlossen.
Panik.
Wo war der Fotograf?
Wo war der Schlüsselmann für das Schloss?
Wo war der Museumsmensch?
Niemand ließ sich blicken...

Nach bangen 5 Minuten tauchte dann endlich letzterer auf und suchte seinerseits erstmal den Stadtbeamten mit dem Schlüssel.
Klar, dass die Stadt das Schloss vor dem Vandalismus des Stadtfestes verschließen wollte... aber, dammich! doch nicht an meinem Hochzeits-Foto-Termin!
Ich war wirklich nervös!

Gott sei Dank klärte sich alles nach weiteren 10 Minuten.
Sowohl Fotograf als auch Schlüsselmaster tauchten auf.
Wir parkten protzig die Autos im Schlosshof (was sein muss, muss sein) und gingen in das Schulmuseum.

Es war kurz vor eins.

Noch 5 Minuten und ich würde meine Braut sehen.

02 Juni 2006

Freitag: Die frühe Anreise

Das wir schon Freitags anreisen mussten, hatte unter anderem mit dem Chaos der Kirche zu tun, dass sich so kurz vor knapp noch entwickelt hatte.
Ich erhielt nämlich am Montag einen Anruf der Gemeinte St. Marien, dass deren Pfarrer Quante, der für die Gemeinde St. Josef, in der wir ja eigentlich heiraten würden, einspringen sollte, uns noch vorher bitte persönlich sprechen wollte.
Und das ginge auch auf gar keinen Fall am Telefon.
Nein, auch nicht, weil wir 150km entfernt wären und erst am Freitag nach Ahaus kämen.
Und schon gar nicht könne man sagen, ob dann freitags ein Termin bei ihm frei wäre, immerhin sei er ein Pfarrer und hätte gewisse Verpflichtungen.
Es wäre halt sinngemäß unser Problem, wenn wir nicht in Ahaus wohnen würden und nur darauf warteten, dass der Diener Gottes Zeit für uns erübrigen könnte.
Sie, die Dame der Gemeinde, würde da mal Rücksprache halten, wann wir kommen müssten und miach DANN anrufen.

Ich kochte vor Wut!
Da denkt man, man hat alles richtig geplant, erwartet, das alles klappt und ausgerechnet von der Kirche, dem Inbegriff von Organisation und Planung kommt ein Heckenschuss?
Und dann auch noch auf so großkotzige Art?
Gut, dass ich den Namen der Dame nicht notiert hatte.
Auch Dani erkannte keinen Sinn hinter all dem.

Dennoch, was blieb uns anderes übrig als zu warten?
Schon fragte ich mich, was denn wäre, wenn dieses Gespräch nicht stattfinden würde?
Könnte alles abgesagt sein?
Nein, eigentlich nicht, oder? Wir hatten doch alle Fragen und Formulare bei Josef in St. Josef richtig ausgefüllt. Und auf ihn, den Diakon von St. Josef, den ich seit meiner Geburt kenne, daran wollte sich in mir nichts ändern, kann man sich verlassen.
Naja, wie gesagt, wir warteten.

Mittwochs dann rief plötzlich ein Herr Pfarrer Tenhumberg an.
Er entschuldigte sich bei uns zunächst einmal und erklärte dann, dass Herr Quante ihn gebeten
hätte, für ihn einzuspringen, da er an dem Tag nicht könnte. Ob uns das Recht sei.
Was soll man da sagen? Nein?
Wieder ein neuer Name, diesmal sogar einer, den ich noch nie gehört hatte?
Was war da bloß los?

Nun, um diesen Teil kurz zu machen, natürlich habe ich ihm gesagt, dass es uns Recht sei, und dann haben wir uns direkt gut verstanden.
Er wollte uns ebenfalls noch mal vorher sehen, hatte aber selbstverständlich Verständnis dafür, dass wir nicht vor Freitag noch mal eben kommen könnten.
Er bat uns sogar an, zu uns zu kommen.
Wir machten einen Termin für Freitag 17:00 Uhr in meinem Elternhaus auf der Heussstrasse (*) aus und wollten dann dort alles Weitere besprechen.

Die nächsten 2 Tage verbrachte ich damit, Dani größtenteils wörtlich aus dem Weg zu gehen, da sie, von allmählichem Stress geplagt, begann alle Sachen zusammen zu suchen, die wir mitnehmen wollten und mussten. Ich schien ihr irgendwie immer im Weg zu stehen oder doch zumindest alles falsch zu packen.
Da musste ich wohl leider Coputer spielen.

Freitagmorgen dann ging es nach Ahaus.
Natürlich mit 2 Autos.
Allein Danis verpacktes Kleid verbrauchte allen Platz auf der umgeklappten Rückbank in Theos Mercedes Kombi.
Die Fahrt war soweit unspektakulär, bis auf die Tatsache, dass ich, mir selber treu, meinen Player mitgenommen hatte und im Auto dann anfing ein paar Songs zu hören:
Highway to Hell von AC/DC.
Die, die, die, my Darling von Metallica.
Hey, immerhin heiratete ich tags drauf...

Nachdem wir meine Sachen dann in meinem Elternhaus abgeladen hatten, Danis ins Hotel gebracht, dort dann ihre Eltern und die dort auch untergebrachte Brautjungfer Janine getroffen und uns dann noch kurz zu einer Geschäftseröffnung eines Onkels von Dani aufgemacht hatten, ging es auf 17:00Uhr zu und wir fuhren zur Heussstrasse.

Der Pfarrer, dass muss ich ganz ehrlich sagen, überraschte uns doch sehr.
Stark konservativ, klar in seinem Glauben und in seiner Meinung und vor allem auch ehrlich und freundlich ohne zu beurteilen, so stelle ich mir einen Pfarrer vor.
Und so war dieser auch.
Direkt am Anfang ließ er keinen Zweifel daran, dass die bisher geplante Trauzeremonie nicht dem christlichen Glauben entspräche, aber anstelle uns zu sagen, wie es laufen muss, zeigte er uns die Alternativen auf und bat uns, darüber noch mal nachzudenken.
Keine Frage, wir gaben ihm Recht.
Schließlich sollte er ja uns trauen und segnen, eine Art Dialog mit uns führen und dann erst mit der anwesenden Gemeinde. Und das würde schwer werden, wenn wir, wie zunächst geplant, hinter dem Altar sitzen, und nicht, wie es sonst sein soll, zu zweien vor dem Altar.
Nein, muss man sagen, Pfarrer Tenhumberg machte einen sehr guten Eindruck.
Er machte gute Vorschläge für Evangelium, Leitsatz oder auch die Musik, konnte sogar alle erklären, wenn uns der Inhalt ... nicht so geläufig war.
Mal ehrlich: Wann habt ihr das letzte Mal die Römer-Briefe gelesen?

Und so saßen wir also dort in der Küche, er und wir, und planten die Trauung, als er uns noch ein Angebot machte. Ich glaube wir kamen über die heiligen Sakramente auf dieses Thema.
Zuerst wohl halb scherzhaft, fragte er uns nämlich, ob wir denn auch sündenfrei in die Ehe gehen würden.
Ob ihr es glaubt oder nicht, aber tatsächlich sprach er hier einen Punkt an, über den ich mir seit einigen Monaten Gedanken gemacht hatte.
Leider stets nur Gedanken, aber ohne folgende Taten:
Die Beichte.

Ich muss keinem der Leser hier erklären, dass ich ab und zu sündig war, die meisten kennen mich zu gut, und fragen sich jetzt sicher sogar "nur ab und zu?".
Außerdem muss ich wohl keinem erklären, dass ich, für mich persönlich, an das Leben nach dem Tod, bzw. an die Einkehr ins Himmelreich, oder, wenn man nicht so der Hit auf Erden war, eine Unterbringung in höllischen Qualen glaube.

Dies alles ist Teil meines Glaubens (wer ihn nicht teilt, sein Problem) und so ist es für mich selbstverständlich, dass wenn ich, wie geschehen, auf den Formularen für die Genehmigung der kirchlichen Ehe angeben musste, dass ich sündenfrei, also nach einer erteilten Beichte, in eben diese Ehe gehe, dass ich dann genau jenes machen muss: beichten.
Das Problem war bloß irgendwie immer, dass die Beichtzeiten (Samstag und Sonntagmorgen, zwischen 8:00 und 10:00 Uhr) sich mit meiner biologischen Uhr bissen.
Gute Ausrede, was?

Glücklich, dass sich mir nun noch diese Möglichkeit bot, fragte ich direkt Pfarrer Tenhumberg, ob ich er das wirklich anbieten würde, ich würde es gerne direkt in Anspruch nehmen.
Einer dieser Momente, bei denen man eine Kamera haben will: Daniela und er versuchten sich gegenseitig in ungläubigen Staunen zu übertreffen.
Völlig perplex, vermutlich weil ihm das noch nicht passiert war, willigte er ein.
Und Dani war so verblüfft, dass sie sogar ohne murren einwilligte aus dem Raum zu gehen.
Glaubt mal, dass sie neugierig war, was ich dort beichten wollte.
Dabei weiß sie doch alles...

Nun, eine Beichte ist nicht ohne Grund eine geheime Sache zwischen dir und deinem Priester.
Lassen wir es also dabei, wenn ich schreibe, dass ich doch eine Lossprechung erhielt.
Ich war erleichtert. Wirklich.
Für die Leser, die keinen Glauben haben, ist das hier nun sicher alles vollkommen unverständlich gewesen und denen kann ich nur wünschen, dass sie ihn noch finden.
Aber für alle anderen: Dieses Gefühl ganz hinten im Hinterkopf, dass da noch was offen ist, das war endlich weg.
Ich kann euch wirklich nicht sagen, wie froh ich darüber war und immer noch bin.
Übrigens: Dani war nach mir ebenfalls noch beichten.

Jedenfalls, und das hat man auch in der Kirche am nächsten Tag noch gemerkt, war der Pfarrer so positiv überrascht, dass, als er ging, ich mir wirklich sicher war, dass der Gottesdienst nun genau so laufen würde, wie wir uns das dachten.
Hah! Hätte es besser wissen sollen.

Den Rest des Abends verbrachten wir dann wieder in Heiterkeit und Scherzhaftigkeit, wie Father Mulcahy (**) sagen würde.
Inzwischen waren Holger, Richard, Janine, Franzi und Benni, Alexander und Nicole eingetroffen und ein kurzfristig geplantes Grillen im Wintergarten / unter der Terrasse fand statt.
Danach gingen wir noch "nur mal so kurz drüber" auf das ebenfalls stattfindende Stadtfest in Ahaus, wo Daniela und ich dann aber noch "Angel" von Robby Williams von einer der Bühnenbands als moderierte Glückwünsche gespielt bekamen.
Nun wusste auch der letzte anwesende Ahauser, dass wir heirateten.

Wobei das wirklich schon jeder zu wissen schien.
Denn wenige Minuten später drückte mir ein mir vollkommen unbekannter etwas jüngerer Kerl wie seinem Bruder die Hand, wünschte mir alles Gute, und fragte, ob es denn stimmen würde, dass Dani und ich eigentlich gar nicht zusammen wären, und nur heiraten würden, um dem Getuschel Einhalt zu gebieten. Hätte er gehört.
Oh je, offensichtlich war unser Plan aufgeflogen.
Irre, oder?
Ahaus...

Schließlich, und damit schloss sich "der Abend davor", brachten wir Dani und Janine zum Hotel, wo wir uns dann voller Liebe von einander für eine letzte unverheiratete getrennte Nacht verabschiedeten.

Also Dani und ich.
Nicht Janine...


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(*) Heussstrasse /Heuss-Str. / Heuss Strasse - nicht wundern, es gibt auf dieser Straße 3 Namensschilder und jedes ist wie hier geschrieben anders - ich mag das mit 3 S, hat so was irritierend Falsches ansich.
(**) Menschen die M*A*S*H nicht kennen kommen bei mir nach der Kloputze. Und dann noch nicht.